Grünes Holz, das ist frisches Holz, ungetrocknet. Aber reisst das dann nicht, und haben wir nicht mal gehört, dass man nur trockenes Holz verarbeiten kann?
Es kommt drauf an, was man draus macht. Wenn ich masshaltige Türen oder Fenster bauen will, tue ich gut daran trockenes Holz zu verwenden, aber wenn ich eine Schale schnitze ist das schon anders.
Und besonders wenn ich mit Handwerkzeugen arbeiten möchte.
Auch harte Hölzer lassen sich grün schnell und leicht mit Körperkraft formen, und Risse kann ich vermeiden, wenn ich einige grundlegende Holzeigenschaften verstehe und beachte.
Aber vor allem macht es Freude, staubfrei und leise zu arbeiten, mit wunderschönen Hölzern, die ich in meiner nahen Umgebung finden kann.
Stellen sie sich vor, wir hätten vor 2 Generationen das Fahrradfahren vergessen. Sicher können wir fast überall per Auto hingelangen, aber das schöne Gefühl, sich aus eigener Kraft leise und sanft durch die Natur zu bewegen können Autos nie ersetzen. Und so ähnlich ist es mit dem Grünholzarbeiten. Es ist die älteste Art überhaupt Holz zu bearbeiten, und bis in die 1930er Jahre war es in ländlichen Gegenden noch so selbstverständlich auf diese Art hölzerne Gebrauchsgegenstände herzustellen, dass es nicht mal als erwähnenswert empfunden wurde.
Dann aber gerieten die alten Techniken innerhalb einer Generation in fast völlige Vergessenheit. Zu Unrecht, denn mit frischem Holz zu gestalten, der gewachsenen Form zu folgen und mit wenigen Handwerkzeugen schöne und nützliche Dinge herzustellen kann wunderbar entspannen und befriedigen.
Es ist ein anfängerfreundlicher und ungefährlicher Einstieg in die grosse Welt des Holzwerkens. Zugleich kann man auch als schon erfahrener Holzwerker beim Grünholzschnitzen die grosse Vielfalt unser heimischen Hölzer kennen und nutzen lernen, und erschliesst sich Holz wieder als eine Materialquelle, die in unserer unmittelbaren Umgebung geerntet werden kann.
Es geht aber nicht nur um die handwerkliche Verarbeitung des Holzes, sondern auch um die Bäume, die dieses liefern. Bäume sind sanfte Riesen, und gehören zu den größten und ältesteten Lebewesen, mit denen wir diesen Planeten teilen.
Wir können nicht ohne sie leben, aber auch nicht ohne ihr Holz zu verwenden. Und deshalb sollten wir ihnen mit Achtung begegnen und unseren Waldbau und die Holzernte so naturnah wie möglich gestalten. Einher mit dem Grünholzwerken geht der Kontakt zum Baum als Lebewesen und die Beschäftigung mit dem Ökosystem Wald.
Das Spannungsfeld zwischen Liebe zu und Verarbeitung von Bäumen habe ich 2014 in dem 3 Jahre dauernden Projekt „Ein Baum aus der Göhrde“ ausgelotet. Gemeinsam in einer Gruppe von 30 Handwerkern, Künstlern, Förstern und Ökologen haben wir eine 353 jährige Traubeneiche aus der Göhrde ein Jahr lang naturkundlich erforscht, sie dann gefällt und danach so vollständig und vielfältig wie möglich verarbeitet. Verarbeitet kam der Baum dann zu einer Ausstellung wieder zusammen und tourte ein Jahr lang durch Norddeutschland mit einem letzten Auftritt auf der LIGNA 2017 in Hannover.
Dokumentiert wurde das Projekt in dem Buch „Ein Baum aus der Göhrde“, das im Naturum erhältlich ist (willkommen@naturum-goehrde.de).
Hier ein Auszug aus dem Buch mit meinen Gedanken zur Fällung:
Ein Baum aus der Göhrde- die Fällung
Nach grauen Wintertagen mal wieder ein sonniger Morgen. Ich wache auf und denke an die Eiche. Morgen, zum Neumond im Januar 2015, wollen wir diesen Baum fällen, und heute schon wollen die Kletterer in die Krone steigen, um die Starkäste einzeln abzusägen und vorsichtig zu Boden zu lassen.
Immer wieder frage ich mich: ist das richtig, was wir hier tun?
Noch nie habe ich selber einen so grossen und alten Baum gefällt.
Ich arbeite seit einem Vierteljahrhundert mit Holz und ernte seit 15 Jahren selber den grössten Teil meines Materials. Noch nie habe ich mich vor der angestrebten Verarbeitung so intensiv mit einem einzelnen Baum beschäftigt.
Ich habe diese Traubeneiche zusammen mit den Förstern und anderen aus der Gruppe im vergangenen Winter ausgewählt für dieses Projekt. Wir haben ein Jahr lang ihren Standort, ihre Geschichte, ihre Ökologie und ihre Besonderheiten so weit wie möglich erkundet.
Ich habe den Baum vielfach besucht, alleine, und Gruppen dorthin geführt. Ich habe ihn im Wechsel der Jahreszeiten beobachtet, war erstaunt, wieviel grösser er belaubt aussah, und wie er wieder zu schwinden schien, sobald die Blätter gefallen waren. Ich habe eine Nacht unter seiner Krone geschlafen und habe im Herbst mit Kindern Eicheln gesammelt um eine Nachzucht zu versuchen.
Und nun will ich ihn fällen, den Tod eines uralten Lebewesens auf mich nehmen, um sein Holz zu verarbeiten, und wieder steigt in mir die Frage auf: ist das richtig?
Ich denke an die breiten Bohlen, die ich im Laufe meines Handwerkerlebens verarbeitet habe, die von ählich grossen Bäumen kamen, die ich nicht kannte. Wer kann ohne Holz leben?
Wir verdanken den Bäumen so unendlich viel, die Luft, den Boden, das Klima. Sie sind die grössten und ältesten Lebwesen auf unserem Planeten. Wir können nicht ohne sie überleben,und müssen sie bewahren und schützen, aber wir können auch nicht überleben, ohne immer wieder manche von ihnen zu töten.
Ich weiss, das diese Eiche hier nur wächst, weil sie seit ihrer frühen Jugend von Menschen gefördert und gepflegt worden (wäre dem nicht so, wüchsen an diesem Standort heute nur Buchen). Sie ist nicht Teil eines Urwaldes, sondern Teil eines alten Wirtschaftswaldes.
Sie ist ein Veteran, aber nicht die einzige von diesem Format. Sie ist ein wunderschöner, ein grosser, ein alter und ein schlagreifer Baum. Natürlich muss ich nicht genau diese Eiche fällen, aber wird irgendetwas besser, wenn ich stattdessen zur Holzhandlung gehe und Holz von sonstwoher kaufe?
Es tut manchmal weh, genau hinzusehen.
Ich fahre in den Wald.
Dort geht alles wie geplant. Jens klettert akrobatisch in der Eiche herum, wir helfen und lassen die grossen Äste, die er angeseilt abschneidet, vorsichtig zu Boden. So erhalten wir mehr nutzbares Material, weil weniger beim Fällen zerbricht, und auch die umstehenden Bäume werden geschont. Leider ist im letzten Sturm die tote, hohle Nachbareiche umgekippt, die als Habitatbaum, als Wohnraum für Spechte, Eulen, Fledermäuse und Käfer stehen bleiben sollte. Nichts ist statisch im Wald, nun ist sie ein Totholzhabitat am Boden.
Der nächste Tag ist Dienstag, der 20. Januar.
Heute ist Neumond, ein Winterneumond, einer der traditionell besten Fällzeitpunkte für Nutzholz. Zu dieser Zeit ist das allerwenigste Wasser im Holz, und es soll ruhiger trocknen.
Früh treffen wir uns im Wald. Zusammen mit Hannes und Diethard bereite ich die Fällung vor.
Als erstes machen wir ein kleines, persönliches Rital, bitten den Baum um Verzeihung und Hilfe. Dann greifen wir zu den Äxten. Nicht aus Prinzip, sondern als Geste der Ehrfurcht vor dem Baum, nehmen wir diese Fällung mit Axt und Schrotsäge vor. Zunächst entrinden Diethard und ich einen Streifen am Stammfuss. Dann wird der Fällkerb angezeichnet, und mit der langen Schrotsäge machen wir den Sohlschnitt. Mit den scharfen Äxten schlagen wir im Wechseltakt den Fällkerb heraus.
Äxte faszinieren mich- so einfache, aber gewaltige Werkzeuge. Vor der Idee, Klingen an Stiele zu binden, lebten unsere Vorfahren als Jäger und Sammler in einer vorgefundenen Umwelt.
Seit der Erfindung der Axt zum Ende der mittleren Steinzeit, formen wir unsere Umwelt, im Guten wie im Schlechten. Schon mit Bronzebeilen liessen sich ökologische Katastrophen anrichten, Zeuge davon sind die Karstgebirge ums Mittelmeer, die einst von Eichenwäldern bedeckt waren. Aber auch gute Nutzung gibt es schon lange- die meisten Naturschutzgebiete in Deutschland sind nicht Urlandschaftrelikte, sondern alte Kulturlandschaft, deren Artenvielfalt durch die traditionelle Nutzung erst entstand.
Nun ist der Fällkerb fertig und Hannes und Diethard beginnen auf der gegenüberliegenden Seite mit der fast 2 m langen Schrotsäge den Fällschnitt. Singend frisst sich der dünne Stahl Zentimeter für Zentmeter in das Holz.
Peter Brauer, der alte Förster, der im Projekt die Geschichte unserer Eiche aufgeschrieben hat, hat in seiner Lehre noch alle Bäume so gefällt, heute ist es fast schon eine Seltenheit, einen Waldarbeiter mit Motorsäge fällen zu sehen, die meisten Bäume werden von Harvestern geerntet.
Tiefer und tiefer dringt die Säge in den Stamm ein, und aus Sicherheitsgründen ziehe ich mich zusammen mit den anderen Beobachtern aus dem Gefahrenbereich zurück. Aus 50 m Abstand schauen wir zu, wie die beiden am Stamm knien und die Säge gleichmässig hin und herziehen. Der erste Keil wird gesetzt, die Hammerschläge hallen durch den Wald.
Dann ist es soweit, nach vielleicht 20 Minuten Sägen sehe ich die beiden aufspringen, Diethard schlägt die Keile nach, der Baum knackt und ächzt einmal, neigt sich, und fällt mit einem grossen Krachen, das ich bis in meine Füsse spüren kann, zu Boden.
Wir gehen zum Stamm, freuen uns, dass alles gut gegangen ist. Der Stamm aufgerissen, weil er auf seiner Hauptgabelung gelandet ist.
Wir haben ihn in diese Richtung gelenkt, weil er so am wenigsten Schaden an den Nachbarbäumen anrichtet. Für den Verkauf von Wertholz wäre diese Stück unbrauchbar, für uns macht das nichts, weil wir nur einen Teil aufsägen und den Rest ohnehin durch spalten aufschliesssen wollen.
Ein erster Blick auf die Jahresringe: so fein! Das genaue Auszählen wird nur mit Lupe möglich sein, ein erster Überschlag kommt auf ca. 360 Jahre. Allerfeinstes Eichenholz, fein und mild, das ist es wofür die Göhrde und die Traubeneiche berühmt sind. Eichenholz ist weicher und homogener wenn langsam gewachsen, dies ist das Material, das schon im Mittelalter bei Bildhauern und Kunsttischlern begehrt war, heute werden hauptsächlich Furniere draus geschnitten.
Ich weiss aus unserer Recherche über die Geschichte dieses Waldstandortes, dass hier im Hohen Holtz 1662 Traubeneichen gepflanzt worden sind. Dann ist unsere Eiche tatsächlich eine von jenen, die damals gesetzt worden sind. 1662- 353 Jahre hat dieser Baum hier gestanden, ist von mehr als 12 Förster- und Waldarbeitergenerationen gehegt und gepflegt worden.
1662- erst seit 14 Jahren war der 30jährige Krieg vorbei, und 8 Jahre zuvor, 1654, ist in der Göhrde eine Forstordnung erlassen worden, in der festgelegt wurde, dass
„immerwährende beständige Holznutzung“ und „beharrliche Feuerung von Jahren zu Jahren jetziger und künftiger Zeiten den Nachkommen bleiben und folgen möge.“ Es ist also, ohne den Begriff zu nennen, das Nachhaltigskeitsprinzip ausformuliert worden, der Gedanke, dass fortan nie mehr gefällt werden soll, als nachwächst. Woraufhin Bäume gepflanzt wurden, die heute erst schlagreif sind.
Nun treffen auch die anderen Projektteilnehmer ein. Bei Apfelpunsch am Lagerfeuer reden wir über unsere Vorhaben, und bedanken uns bei Forstamt Göhrde für den Baum. Dann beginnen wir, das Holz unter den 30 Teilnehmern aufzuteilen, Kettensägen machen erste Trennschnitte, einige Stücke werden aufgespalten und mit Schubkarre abtransportiert, die grossen Stücke sollen später von einem Forwarder abgeholt werden.
Ich finde diese Vorstellung,nun zu verarbeiten, was ein Mensch vor 353 Jahren mit Händen und Spaten gepflanzt hat, sehr berührend. Mögen wir schöne Dinge draus herstellen.
Und mögen die Eichen, die wir pflanzen, ähnlich lange leben und spätere Menschen beglücken.
Michail Schütte